Die herrschende Politikerklasse
versucht
ihn totzuschweigen. Doch in seinen
Büchern analysiert
Prof. Hans Herbert
von Arnim schonungslos
die Fehler
im politischen System
und zeigt auf, was
getan werden müsste,
damit der Bürger
wieder zum Souverän
in diesem Land wird.
Hans Herbert von Arnim, 1939 in
Darmstadt geboren, war von 1968
bis 1978 Leiter des Karl-Bräuer-
Instituts des Bundes der Steuerzahler
in Wiesbaden. Anschließend ging
er als Professor für Staats- und Verwaltungsrecht
an die Universität
Marburg. 1993 bis 1995 war er Rektor
der Deutschen Hochschule für
Verwaltungswissenschaften Speyer,
daneben auch Mitglied des Verfassungsgerichts
Brandenburg. Zu einem
Eklat kam es, als Prof. von Arnim
im September 2000 die Experten-
Kommission zur Neuordnung
der Bezüge von Mitgliedern der
Landesregierungen in Nordrhein-
Westfalen und Bayern wenige Tage
vor der Präsentation der Ergebnisse
unter Protest verließ. Seit dem 1.
April 2005 ist er in den Ruhestand
versetzt. Nach wie vor legt er seinen
Finger in die Wunden. Sein neuestes
Buch „Volksparteien ohne Volk – Das Versagen der Politik“ ist gerade
erst erschienen.
Die Ochsentour der Parteisoldaten
Von Arnim zeichnet die 60-jährige
Geschichte unseres Wahlrechts
Schritt für Schritt nach. Dabei legt er
dar, wie immer mehr die Interessen
der politischen Klasse in den Vordergrund
gestellt werden und eine immer
weitere Abschottung vom Volk
erfolgt. Wer in der Partei weiterkommen
will, muss regelmäßig die so genannte „Ochsentour“ durchlaufen:
jahrelange zeitaufwändige Kärrnerarbeit
im immergleichen Orts- und
Kreisverband. Von Arnim: „Das können
sich nur Leute mit viel Zeit (‚Zeitreiche’)
leisten, die auch ihren Wohnort
nicht wechseln (‚Immobile’), nicht
aber in Wirtschaft, Wissenschaft, Publizistik,
Kultur etc. Erfolgreiche.“
So
komme es, dass vor allem mittlere
Beamte und Funktionäre in die Parlamente
einziehen. Die parteiinterne
Sozialisierung bringe vornehmlich
Parteisoldaten hervor, die eigene Ideen
und Initiativen in vorauseilendem
Gehorsam und zugunsten politischer
Korrektheit unterdrücken. Charismatische
Persönlichkeiten hätten keine
Chance.
Für den Bürger bedeute das:
Anstelle echter Mitwirkung werde
die Wahl auf einen bloßen Formalakt
reduziert, dessen Inhalt andere dem
Bürger aufzwingen.
Wer einmal ein Mandat innehat,
wird, wenn er sich nicht ganz dumm
anstellt, auch in Zukunft wieder nominiert.
In einem sog. „sicheren
Wahlkreis“ etwa kann der Abgeordnete
so lange bleiben, wie er will. Als
finanziell, personell und statusmäßig
üppig ausgestatteter „Wahlkreislöwe“
macht er sich innerparteilich
derart breit, dass bei der Wiedernominierung
Gegenkandidaten von
vornherein abgeschreckt werden.
Die Möglichkeit einer Abwahl ist
dort reine Theorie, der Lehrbuchsatz,
Demokratie sei Macht auf Zeit, nur
schöner Schein.
Um dem abzuhelfen, müsste man
dem Wähler die Möglichkeit geben,
bestimmte Kandidaten vorzuziehen
und andere zurückzustellen. Sinnvoll
wären auch Vorwahlen, um die
Wähler vom Diktat der dominierenden
Partei zu befreien. Auch könnte
nach von Arnim die Begrenzung des
Mandats auf zwei oder drei Wahlperioden
helfen. Es kommt noch wilder: die EU
Besonders krasse Demokratiedefizite
herrschen auf europäischer Ebene.
Es gebe weder ein europäisches Volk
noch eine europäische öffentliche
Meinung, noch einheitliche Wahlen.
Tatsächlich schreibt Artikel 190 des
EG-Vertrages vor: „Das Europäische
Parlament arbeitet einen Entwurf
für allgemeine unmittelbare Wahlen
nach einem einheitlichen Verfahren
in allen Mitgliedstaaten oder im Einklang
mit den allen Mitgliedstaaten
gemeinsamen Grundsätzen aus.“
Dass es trotzdem noch kein einheitliches,
nichtdiskriminierendes Wahlverfahren
gibt, ist daher als inzwischen
rechtswidrige Unterlassung
anzusehen.
Derzeit, so von Arnim, hat ein
Bürger in Luxemburg elfmal mehr
Stimmgewicht als ein Bundesdeutscher.
Man versteckt sich hinter der Fünfprozentklausel
Die Fünfprozentklausel sei bei
Europawahlen ein Irrwitz ohne jede
Begründbarkeit. Sie entwerte die
Stimme von mehr Deutschen, als die
Summe aller Wähler von drei oder
vier kleineren EU-Staaten zusammen
ergibt.
Schließlich habe sich in der EU ein
System der Politikfinanzierung etabliert,
das allen Grundsätzen spotte,
die das Bundesverfassungsgericht
entwickelt habe. Das 2004 in Kraft
getretene europäische Parteiengesetz
schanze Parteibünden Steuergelder
zu, die das nationale Staatsgeld noch
aufstocken: Für 2009 sind dabei Mittel
bewilligt, die um rund 75 Prozent
höher sind als 2007.
Geradezu peinlich sei auch das
neue europäische Diätengesetz. Zu
alledem sollen die völlig überzogenen
Spesenregelungen, die auf Erlassen
des Präsidiums des Europäischen
Parlaments beruhen, zum großen
Teil fortbestehen. Sie ermöglichten
Europaabgeordneten gewaltige
steuerfreie Nebeneinkommen.
Im Kern würden alle guten demokratischen
Grundsätze, die in
den Mitgliedstaaten im Laufe der
Geschichte mühsam erkämpft wurden,
auf europäischer Ebene ignoriert.
Prof. von Arnim fragt: „Kann
ein Parlament, das in eigener Sache
derart lax mit den Grundregeln des
Rechts umgeht und der Bereicherung
seiner Mitglieder Vorschub
leistet, als Kontrollorgan noch ernst
genommen werden?“ Gegen den erklärten Volkswillen
Wie machtlos das Volk heute gegenüber
der herrschenden Politikerklasse
ist, zeigt sich in der Europapolitik
besonders deutlich: Nicht nur ohne
Zustimmung des Volkes, sondern
direkt gegen den in zahlreichen Meinungsumfragen
erklärten Volkswillen
wurden und werden die großen
europapolitischen Entscheidungen
getroffen und durchgezogen: Abschaffung
der D-Mark, Osterweiterung
der EU, Abschaffung der Personenkontrollen
auch gegenüber
den osteuropäischen Staaten, europäische
Verfassung (jetzt als „Vertrag
von Lissabon“ verkauft), und
die Errichtung eines „Europas der
großen Wirtschaftskonzerne“ … Der
Wählerwille wird nicht nur ignoriert.
Es wird vielmehr alles getan, um ihn auszuhebeln.
Es ist Prof. Hans Herbert von Arnims Verdienst,
die gravierenden Fehlentwicklungen,
die die herrschende politische
Klasse so gerne verschweigt, immer
wieder aufzuzeigen. Er leistet damit
einen wichtigen Dienst am Gemeinwohl,
der eigentlich Aufgabe der
gleichgeschalteten Presse wäre. Es wäre zu wünschen,
dass endlich ein demokratischer Ruck durch Deutschland geht, um die verkrusteten Strukturen aufzubrechen.
(Stand: 13.06.2009)
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