Wenn jemand zur Hitlerzeit in der Chefredaktion einer Zeitung, der "Altonaer Nachrichten“, saß, die beispielsweise 1937 gegen den "Judenpöbel" hetzte (Ausgabe vom 11. Januar) und in der Juden - noch widerlicher - sogar mit "Vampiren" gleichgesetzt wurden (9. März), um dann in bundesrepublikanischer Ära als Medienboss zu propagieren: "Der Herr hat das jüdische Volk als sein Volk auserwählt, um ihm durch alle Zeiten zu dienen" sowie alle seine Untergebenen vertraglich zu verpflichten, stets für die Interessen des jüdischen Staates Israel einzustehen, dann zeugt das entweder von einer geradezu phantastischen Läuterung oder von einem abgrundtiefen Opportunismus. Nur: Mit "Mut" und "Zivilcourage", die dem Betreffenden so gerne in der verkommenen Medienlandschaft von heute nachgerufen werden, hatte das alles sicher nichts zu tun. Denn auf das Judentum in moralisch empörender Weise medial einzudreschen, lag in der NS-Zeit ebenso auf "von oben" gewünschter Wellenlinie, wie es in Bundesdeutschland dem Geist der Macht entspricht, jüdisch-zionistische Ambitionen auf der Schleimspur zu begleiten.
Grüner Klee überwuchert Braunes
Gemeint ist Axel Cäsar Springer. Der gehörte in den braunen Jahren zur Führungsetage NS-gleichgeschalteter Medien des väterlichen Unternehmens "Altonaer Nachrichten" (neuer Titelkopf ab 1938: ,,Hamburger Neueste Zeitung") sowie "Hammerich & Lesser", welcher Verlag mit Frontausgaben von Druckwerken profitabel auch die Wehrmacht versorgte. Es geht um jenen Springer, der "Mitglied des Reichsverbandes der Deutschen Presse, der Reichsschrifttumskammer, und des Automobilclubs des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps war" (Medienhistoriker Dr. Peter Köpf in: "Schreiben nach jeder Richtung. Goebbels-Journalisten in der westdeutschen Nachkriegspresse").
Obwohl der Todestag des einflussreichsten deutschen Pressemagnaten der Nachkriegszeit, er starb am 22. September 1985, nun schon über dreissig Jahre zurückliegt, ist es für etablierte Organe nicht nur seines eigenen Medienimperiums, sondern weit darüber hinaus, Anlass genug, Springer immer und immer wieder in den Himmel zu heben. Wobei man natürlich sein bundesdeutsches Wirken im Sinne einer Radikalbewältigung der Zeitgeschichte und für die Sache Israels als besonders lobenswert herausstellt, die Brauntöne aber von viel grünem Klee völlig überwuchern ließ.
"Jüdische Erscheinung mit gekräuseltem Negerhaar"
Ein Hosianna sondergleichen hat Claus Jacobi, langjähriger Redaktionsdirektor der "Bild" und Ex-Herausgeber der "Welt" (beides Springer-Erzeugnisse), mit seinem neuen Buch "Der Verleger Axel Springer. Eine Biographie aus der Nähe" angestimmt.
Da erfährt man etwa, dass die Eltern des Verlegers angeblich auf große Distanz zum NS-Regime gegangen seien. So habe Mutter Ottilie nach Hitlers Machtübernahme demonstrativ aus Goethes "Wahlverwandtschaften" den Satz zitiert: "Diesem düsteren Geschlecht ist nicht zu helfen", und Vater Hinrich (genannt: "Heino") Andreas Theodor Springer habe im Schilde geführt, in die Schweiz auszuwandern und dort "eine Emigranten-Zeitung zu starten". Aus diesem "Geheimplan" wurde bekanntlich nichts. Stattdessen brachten "Heino" Springers "Altonaer Nachrichten", in die Sohnemann Axel bald darauf redaktionell einstieg (ab 1934 stand er im Impressum), im Jahr der NS-Machtübernahme Schlagzeilen wie: "Jüdische Unverschämtheit" - mit Hetze gegen einen namentlich angeprangerten jüdischen Mitbürger, Justin Steinfeld, der als "prononziert jüdische Erscheinung mit gekräuseltem Negerhaar" vorgestellt wurde, und der sich die Eintrittskarte für eine Schauspielpremiere "erschlichen" habe, wo er doch "in einem deutschen Theater nichts zu suchen" habe. Das Heraufbeschwören einer angeblichen "Gefahr", dass Leute "dieser Rasse die Brunnen in Deutschland vergiften", kam abstoßenderweise auch noch hinzu ("Altonaer Nachrichten", Ausgabe vom 8. April 1933).
Der Nationalsozialismus sei, nach der blühenden Fantasie des Jacobi, Axel C. Springer "schon ästhetisch zuwider" gewesen, weil er "alles verkörperte, wovor er sich ekelte: Zwang, Gleichmacherei und Massen". Die "Abneigung" habe ,,tief und fest gesessen" und sich schließlich "zu Abscheu verdichtet". Konkret habe sich das zum Beispiel so geäußert, dass Axel Springer "unter Freunden im Hinterzimmer die neuesten Anti-Witze erzählte".
Mit "Attest-Salve“ um Wehrmacht herumgekommen
Als besonderes "Anti"-Meisterwerk des Axel Springer - des machtkonformen Meinungsmachers der NS-Zeit, der sich 1938 von seiner mütterlicherseits jüdischen ersten Frau trennte (insgesamt brachte er es auf vier Scheidungen) - begegnet dem Leser, wie es dem "Dandy" (Jacobi) und Sohn aus steinreichem Hause gelang, dem Kriegsdienst in der Wehrmacht zu entrinnen. Unter Ausnutzung von "Beziehungen" wartete Springer demzufolge mit einer "Attest-Salve" von Ärzten auf. Dem Endzwanziger wurden abwechselnd "Herzmuskelschwäche", "extrem niedriger Blutzuckerspiegel", "Neigung zu Kollapszuständen", "ohnmachtsähnliche Schwächeanfälle" usw. usf. bescheinigt. Springer klagte auch über, so wörtlich, "Kreislaufstörungen, wenn das Blut wohl in den Kopf hineingeht, aber nicht wieder zurückwill". Und, so teilt es Jacobi weiter mit: "Er suchte Hospitäler auf und machte Kuren, schon um die Glaubwürdigkeit der Diagnose zu erhöhen." Normale, anständige Bürger hingegen wurde zum Dienst an der Front eingezogen.
In der Springer-Presse des Dritten Reiches - hier die "Hamburger Neueste Zeitung" vom 2. August 1940 - wurden übelste antisemitische Maßnahmen hymnisch angepriesen. Das Blatt bejubelte die Errichtung des Warschauer Ghettos und feierte, dass die "Judenfrage im Gouvernement" (= Generalgouvernement; besetztes Polen) nunmehr "gelöst" werde. Im Kommentar des Springerblattes hieß es dazu zynisch: "Zum erstenmal seit Jahrhunderten wurde jetzt der Jude zu einem geordneten Lebenswandel gezwungen, der in erster Linie die Pflicht zur Arbeit in sich trägt ... Die Juden sind als Fremdkörper im Generalgouvernement gekennzeichnet."
Der Medienkarriere des Axel Springer unterm Hakenkreuz gab dies alles mächtig Aufwind. Nach der kriegswirtschaftlich bedingten Zusammenlegung der väterlichen "Hamburger Neuesten Zeitung" mit anderen Zeitungen (die gelegentlich verbreitete Behauptung, das Springer-Blatt sei der Zensur zum Opfer gefallen, entbehrt jeder Grundlage; die Verlegerfamilie erhielt bei der Fusion ihres Organs mit anderen Zeitungen vom NS-Regime mehr als 200.000 Reichsmark Entschädigung - nach heutiger Kaufkraft: ein Millionending) machte Vater Heino den Junior Axel 1943 zum gleichberechtigten Partner als Boss im Verlag "Hammerich & Lesser". Dieses Editionshaus erfreute sich insbesondere reichlicher Zuteilung des kriegsbedingt knappen Papiers durch die NS-Obrigkeit und erzielte hohe Auflagen seiner die "Moral der Volksgenossen" stärkenden Druckerzeugnisse per Massenabnahme durch die Zentrale der Frontbuchhandlungen.
Im besiegten und okkupierten Deutschland kriegte Springer rasch die Kurve. "Er verstand es gut, mit den Besatzern umzuspringen" (Jacobi) und "bombardierte die Briten mit Lizenzanträgen für Zeitungen und Zeitschriften". Springers alter Freund John Jahr, einst Generalvertreter kommunistischer Zeitungen, dann ab 1933 NSDAP-Parteigenosse und erfolgreicher Verleger, war sich selbst und seinem Kumpel beim Wendemanöver von 1945 mit der geschickt ausgedachten Story behilflich, beide hätten einem "getarnten Widerstandskreis" angehört.
Axel Springer persönlich schleimte sich bei den Tommys, die auf der Suche nach handwerklich und handlangerisch versierten Kollaborateuren im Pressewesen waren und bei denen daheim Labour die Konservativen an der Regierung abgelöst hatten, mit dem "Bekenntnis" ein: "Ich fühle mich den humanitären Forderungen der fortschrittlich gesinnten Linken verbunden." Das alles bekräftigte Springer damit, "dass er sich nach englischer Art ein Bärtchen auf der Oberlippe zugelegt hatte" (Jacobi). Nach feiner Britenmanier wohlgemerkt, länglich schmal und distinguiert, und nicht so kurz, dick und wuschelig wie beim verflossenen NS-Machthaber. Mimikry total. Kein Chamäleon kriegt den Farbenwechsel besser hin.
Der ummaskierte Springer "gefiel den Engländern", teilt Jacobi mit. Zudem legte sich auch noch Erik Blumenfeld für die neuen verlegerischen Absichten des Axel Cäsar Springers ins Zeug: Auftakt einer Männerfreundschaft, die sich sowohl für Blumenfeld, den nachmaligen CDU-Chef von Hamburg und Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, als auch für den Medienkonzernherrn Springer in den kommenden Jahrzehnten als lohnend erwies.
Jacobi: "Die Saat gedieh. Axel Springer erhielt 1946 und 1947 von den Engländern, was sonst niemand erhielt: außer der Lizenz des Vaters für ,Hammerich & Lesser' noch drei weitere Lizenzen." Plötzlich ging es nun auch Springers Bauchspeicheldrüse und dem Blutzuckerspiegel wieder besser. Und auch das Blut staute sich bei ihm nicht mehr so zäh im Kopf, sondern floss wieder kräftig, siehe "Bild“-Zeitung...
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